Die kollektiven Mietbüros sind Hort für kreativen Austausch und Kontakte. Mittlerweile gibt es weltweit mehr als 2500 Coworking-Spaces

Wien - Wenn aus einer Geschäftsidee trotz anfänglicher Euphorie doch nichts wird, dann zumindest waren Investition und Kostenrisiko gering. Das, so lautet der Tenor, wenn man sich unter Unternehmensgründern umhört, sei der größte Vorteil eines sogenannten Coworking-Büros. Angesichts ungewisser Ertragslage, in der sich viele junge Selbstständige heute wiederfinden, sei der Gruppenarbeitsplatz auf Zeit eine sinnvolle Alternative zum teuer angemieteten Einzelbüro.

Flucht aus der Einsamkeit

Fragt man auf der Bürobetreiberseite nach, so wird zumeist auf eine Art Flucht aus der Isolation hingewiesen, denn viele Selbstständige arbeiten im Home-Office, und da fällt ihnen nicht selten die Decke auf den Kopf. Aus diesem Grund wird in den neuen Coworking-Offices, die in den Großstädten wie Schwammerln aus dem Boden sprießen, vor allem auf eines Wert gelegt: auf Interaktion.

"Wir möchten, dass bei uns eine offene Mentalität herrscht", sagt Kata Klementz, die unter dem Namen Loffice - die Abkürzung steht für Loft Office - Coworking-Büros in Wien und Budapest betreibt (siehe Interview) . Dass auf die neuen Arbeitswelten nicht nur gleichgesinnte kreative Kräfte angewiesen sind, zeigt ein Statement der Wiener Wirtschaftskammerpräsidentin Brigitte Jank. Sie lädt alle Selbstständigen dazu ein, sich in einen Pool zu begeben: "Auf die Kompetenzen anderer zugreifen zu können und zu wissen, wo und wie Know-how, Dienstleistungen oder Produkte abzurufen sind, ist ein echter Marktvorsprung."

Eintritt auf Stundenbasis

Der Marktvorsprung lässt sich in Zahlen fassen: Laut dem Branchenmedium deskmag arbeiten weltweit mittlerweile 110.000 Menschen in den mehr als 2500 Coworking-Spaces, die quer über den Erdball verteilt sind, wobei sich die Zahl der Büros bisher jedes Jahr verdoppelt hat. Zu den vielen Coworking-Offices in Wien zählen etwa Sektor 5, Hutfabrik, Schraubenfabrik, Grüner Hof, Rochuspark, Gemeinschaftsbüro, Co Space, Virtual Office, Fischhof 3, Herminengasse 1 oder das 2012 eröffnete Neno Office mit mehreren Standorten in der Stadt.

Eines der größten Coworking-Netzwerke mit derzeit 5000 Mitgliedern ist jedoch The Hub. Die Zentrale befindet sich in der Lindengasse in Wien-Neubau. Die Organisation steht symbolisch für den Siegeszug der neuen, gemeinsamen Arbeitswelten. Das Bezahlmodell wird wie Eintrittsgeld gehandhabt - auf Stundenbasis. Der Zulauf in den Entrepreneurs-Club ist beträchtlich: In den nächsten fünf Jahren sollen die derzeit 30 Filialen weltweit auf 100 aufgestockt werden. Die Chancen stehen gut. In Österreich sind von den 4,1 Millionen Erwerbstätigen rund 480.000 Personen selbstständig tätig. Das sind rund zwölf Prozent. Abgesehen von ein paar kleineren Schwankungen wird die Zahl von Jahr zu Jahr größer.

Jeder Platz doppelt besetzt

"Kann man eigentlich auch ein herkömmliches Firmenbüro als Coworking-Platz nutzen?", hatte ein Immobilieneigentümer bei einer Branchen-Veranstaltung im Frühjahr dieses Jahres in die Runde gefragt. Und tatsächlich kommen allmählich auch große Office-Anbieter auf die Idee, ihre teilweise leeren Räume zur kollektiven Kreativarbeit zur Verfügung zu stellen. Das ist ein Novum. "Derzeit wird in Österreich viel Personal abgebaut, aus diesem Grund machen sich dann viele selbstständig", sagt Hans Pointner, Büroflächenexperte und Geschäftsführer der Standort Immobilien KG. "Die Vermietung von Einzelarbeitsplätzen ist eine logische Konsequenz der heutigen Wirtschaftslage."

Im Schnitt, so schreibt der Wiener Architekt Fritz Oettl in einer wissenschaftlichen Arbeit zum Thema, bringe es ein Coworking-Büro auf zwei Mitglieder pro Arbeitsplatz. Oder anders ausgedrückt: Man muss beziehungsweise kann jeden Platz doppelt vermieten. Bei den meisten Coworking-Anbietern in Wien kann man sich bereits ab 15 Euro pro Tag einmieten. Die edlen High-End-Offices kosten rund das Doppelte. 

 

Ursprung: derstandard.at