Ludwig und Chorherr stellten neue Bauordnung vor – Notkamin-Verpflichtung im Wohnbau entfällt, "Wiener Solarstandard" für Gewerbebauten kommt
Erste Details waren schon davor durchgesickert, am Dienstag gaben Wiens Wohnbaustadtrat Michael Ludwig (SPÖ) und der Grüne Planungssprecher Christoph Chorherr nun aber auch offiziell alle wesentlichen Eckpunkte der neuen Wiener Bauordnung bekannt. Diese sollte, wenn alles nach Plan verläuft, Anfang kommenden Jahres in Kraft treten.
Ein Stellplatz pro 100 m² Nutzfläche
Eine der wohl für Bauträger wichtigsten Neuerungen wird sein, dass die Stellplatzverpflichtung gelockert wird. Diese steht zwar nicht in der Bauordnung, sondern im Garagengesetz, das aber gleichzeitig mit der Bauordnung novelliert wird. War es bisher im Wesentlichen nötig, pro Wohnung einen Pkw-Stellplatz zu errichten (eine Reduktion um zehn Prozent war seit der letzten Novelle möglich, wenn im Gegenzug mehr Fahrradabstellplätze entstanden), so wird nun auf ein flächenbezogenes Maß umgestellt: Pro 100 m² Wohnungs-Nutzfläche wird dann ein Stellplatz zu errichten sein.
Bei einem größeren Wohnbauprojekt mit beispielsweise 7.000 m² Wohnnutzfläche würde dies immerhin eine Baukostenersparnis von 300.000 bis 500.000 Euro mit sich bringen, rechnete Ludwig vor: Aktuell seien bei so einem Projekt rund hundert Stellplätze nötig (bei einer angenommenen durchschnittlichen Wohnungsgröße von 70 m²), künftig nur noch 70.
Änderung statt Zubau im Dachgeschoß
Weitere wichtige bauliche Neuerungen sind der Entfall der Verpflichtung, Notkamine zu errichten (davon waren bisher nur Passivhäuser befreit), und eine Erleichterung von Dachgeschoß-Ausbauten: Eine "Ansteilung" (bzw. "Aufklappung") des bestehenden Daches von beispielsweise 30 auf maximal 45 Grad soll künftig nicht mehr als Zubau, sondern nur als "Änderung von Bauwerken" klassifiziert werden und somit nicht mehr den Bestimmungen des aktuellen Bebauungsplanes entgegenstehen.
Bewohnerinnen und Bewohner von Kleingartenhäusern können außerdem künftig mit einer Umwidmung für ganzjähriges Wohnen rechnen, sofern sie ihre Häuser punkto Schallschutz nachrüsten. Bisher müssen Kleingartenwohnhäuser den Erfordernissen der Bauordnung hinsichtlich des Schallschutzes nämlich nicht entsprechen.
Balkone und Aufzüge leichter möglich
Weitere wichtige Neuerungen: Balkone dürfen künftig auch über Verkehrsflächen wie etwa Gehsteigen errichtet werden, sofern gewisse Sicherheitsbestimmungen eingehalten werden. Beispielsweise müssten Blumentöpfe gut befestigt werden, erklärte Ludwig und wies gleichzeitig auf die steigende Wohn- und Lebensqualität durch eine nun mögliche Vermehrung von Freiflächen hin. Dass sich dadurch möglicherweise auch die Mietpreise in privaten Altbauten erhöhen könnten, hält er für möglich, dies liege aber nicht in seinem Einflussbereich; reduzierte Mietpreise in Altbauten könne nur eine Mietrechtsgesetz-Novelle der Bundesregierung bringen, so der Stadtrat.
Ähnliches gilt für Aufzüge: Bewilligungen für Aufzugszubauten sollen künftig auch dann erteilt werden, wenn sie über die Baufluchtlinie hinaus in eine gärtnerisch auszugestaltende Fläche ragen.
"Wiener Solarstandard" kommt
Grünen-Gemeinderat Chorherr freute sich besonders über die erzielte Einigung in Sachen erneuerbarer Energie: Neue Dienstleistungsgebäude (also etwa Büroobjekte, keine Wohngebäude und auch keine Schulen etc.) müssen künftig eine Mindestleistung von 1 Kilowatt-Peak (kWp) pro 100 m² Bruttogeschoßfläche an solarer Energie erzeugen. Dieser "Wiener Solarstandard" könne auf 0,3 kWp reduziert werden, wenn das Gebäude besonders energieeffizient gestaltet wird. Chorherr sieht in dieser Maßnahme einen "ersten Schritt", eine spätere Ausweitung auf Wohngebäude hält er für nicht ausgeschlossen.
Als weitere Ökologisierungsmaßnahme wird ein eigenes Regenwassermanagement vorgesehen. Durch verschiedene Maßnahmen, die vom Bauwerber selbst entschieden werden können, sollen das in den Kanal eingeleitete Regenwasser reduziert werden – was einerseits Überschwemmungen bei Starkregen verhindern und andererseits dem Bauträger günstigere Kanalgebühren ermöglichen soll.
Befristete Widmung und neue Kategorie
Um Spekulanten das Leben schwerer zu machen, wird die Stadt Wien in Zukunft die Möglichkeit haben, die Widmung "Bauland" nur befristet zu vergeben. Dies soll verhindern, dass Grundstücke "gehortet" werden, weil die Besitzer auf steigende Preise hoffen. Für wie lange diese Befristung ausgesprochen können wird, steht noch nicht fest; Ludwig nannte auf Nachfrage einen Zeitraum von fünf bis zehn Jahren.
Baugrundmobilisierend soll ebenfalls die Schaffung einer neuen Widmungskategorie "förderbarer Wohnbau" wirken. Auf einem Bauplatz mit dieser Widmung dürfen dann nur noch Bauten errichtet werden, die die (strengeren) bautechnischen Spezifikationen in Anlehnung an die Wohnbauförderung erfüllen, etwa punkto Wärmeschutz oder Nutzflächenbeschränkung pro Wohneinheit.
"Technische Abbruchreife" stark eingeschränkt
Massiv verschärft werden auch die Rahmenbedingungen der sogenannten "technischen Abbruchreife". Hausbesitzer müssen künftig stärker argumentieren, warum sie Bauwerke abreißen wollen.
Bisher war dies rein quantitativ geregelt: Musste man bei einem Gebäude im Zuge einer Instandsetzung zu mehr als 50 Prozent in die Bausubstanz eingreifen, wurde selbst bei einer möglichen technischen Instandsetzung automatisch ein Abbruchauftrag erteilt – der auch einen Kündigungsgrund laut Mietrechtsgesetz (MRG) für alle Mieter des Hauses nach sich zog. Künftig muss u.a. die wirtschaftliche Undurchführbarkeit einer Renovierung nachgewiesen werden.
Gemischte Reaktionen
Reaktionen aus der Wirtschaft fielen am Dienstag verhalten positiv aus. WKÖ-Bauträgersprecher Hans Jörg Ulreich sieht "verspätet, aber doch einen ersten Schritt zu günstigerem Wohnbau". Aufgrund der Änderungen werde es künftig möglich sein, die Kosten beim Neubau von Wohnhausanlagen in Wien zu reduzieren. "Damit hat die Stadt die laufende Kritik der Wirtschaftskammer endlich aufgenommen", so Ulreich.
Mit gemischten Gefühlen reagierte die Rathaus-Opposition auf die rot-grünen Ankündigungen. Wiens VP-Chef Manfred Juraczka begrüßte zwar die Novelle, "die zur Vereinfachung beiträgt und Überbürokratisierung vermeidet. Doch der vorliegende Entwurf hinterlässt dem ersten Eindruck nach eher mehr Fragen und besteht zu einem Großteil aus allgemeinen Überschriften", so Juraczka in einer Aussendung. In Zusammenhang mit der Stellplatzverpflichtung sei etwa "die berechtigte Frage zu stellen, ob nicht die Umgebung des Bauwerks ein wesentlicheres Kriterium sein sollte, als die Größe der jeweiligen Wohnung".
Für den Wiener FP-Planungssprecher Toni Mahdalik steht der Entwurf "so wie die gesamte Politik der Rathaus-Koalition im Zeichen der Gewinnmaximierung bei Wohnbauträgern". Die Stellplatzverpflichtung wird aus seiner Sicht "weiter aufgeweicht und somit die Parkplatznot auch unter der Erde verschärft".
Voraussichtlich ab Jänner in Kraft
Mit dem heutigen Dienstag beginnt die Begutachtungsphase der Bauordnungs-Novelle - zunächst die vierwöchige "interne Begutachtung" innerhalb der Magistratsabteilungen. Nach diesen vier Wochen folgt eine sechswöchige externe Begutachtungsphase, spätestens dann sollte der Entwurf auch auf der Website der Stadt Wien online verfügbar sein, versprachen Chorherr und Ludwig. Nach der Behandlung im Wohnbauausschuss muss die Novelle vom Landtag beschlossen werden. In Kraft treten wird die neue Bauordnung voraussichtlich zum Jahreswechsel.
Ursprung: derstandard.at