2200 Quadratmeter Bürofläche in bester Lage - und doch stand das ehemalige Bundesrechenzentrum in der Marxergasse im 3. Bezirk jahrelang leer. Auch jetzt sieht es auf den ersten Blick noch so aus, denn die Fenster im Erdgeschoß sind zugeklebt. Doch an einem Eck sieht man hinein in einen Raum, in dem in einem provisorischen Regal durcheinander gewürfelte Gegenstände ausgestellt sind; Bücher, Skulpturen, Bilder.

 

Hier präsentieren sich die Nutzer vom Zwischennutzungsprojekt Das Packhaus: Auf sieben Etagen werden für die nächsten eineinhalb Jahre 50 Büros von 200 Menschen genutzt. Pro Quadratmeter bezahlen sie acht bis zehn Euro. Nutzung der Gemeinschaftsflächen, Internet, Strom, Heizung und Reinigung sind inkludiert.

 

Emsiges Treiben

 

Vor wenigen Wochen erst war die Eröffnung. Margot Deerenberg vom Verein Paradocks führt durch das Gebäude, das der Conwert gehört. Hier herrscht emsige Betriebsamkeit: In einem Stock reißen zwei junge Männer den altmodischen Teppichboden in einem der Zimmer heraus. Nebenan fertigen zwei Architekten hochkonzentriert Renderings an.

 

Es ist ein Objekt ganz nach Deerenbergs Vorstellungen: Bürogebäude hätten oft weniger Identität und Verbindungspotenzial, erklärt sie. Genau deshalb könne man sie völlig neu entwickeln und neue Potenziale sichtbar machen.

 

"Wir hätten das Gebäude dreimal anfüllen können", sagt die Stadt- und Sozialgeografin, die das Projekt initiiert hat und für ihre Dissertation zum Thema Zwischennutzung forscht. Der Verein lebt hier auf Bittleihe, muss also nur für die Betriebskosten aufkommen, hat aber keine Mietrechte. Wer hier werkt, ist ein Leihnehmer.

 

Bei der Auswahl dieser Leihnehmer sei auf einen bunten Mix Wert gelegt worden: Es gibt Schauspieler, Übersetzer und eine Fahrradwerkstatt.

 

Anfragen für 3500 Quadratmeter

 

Nicht ganz so groß, aber ebenso ausgebucht ist ein Projekt im 15. Bezirk. Der Verein Implantat hat in der Tautenhayngasse vor wenigen Monaten drei Stockwerke in einem ehemaligen Bürohaus zur Zwischennutzung übernommen. "Aktuell haben wir Anfragen für die Nutzung von insgesamt 3500 Quadratmetern", erzählt Vereinsmitglied Stephan Pircher. Zur Verfügung stehen aber lediglich 700 Quadratmeter.

 

Unternehmer Hans Jörg Ulreich, WKÖ-Bauträgersprecher, hat der Gruppe das Haus angeboten. Er will hier ein Refurbishment durchführen, "aber das dauert". Bis Dezember 2015 darf der Verein Implantat hier walten.

 

Luxus darf man sich natürlich nicht erwarten: Zehn Jahre lang stand das Haus leer, Heizungen und Aufzüge funktionieren nicht mehr. Im Winter laufen die Heizstrahler. Der Bau stammt aus den 1960ern, und das sieht man ihm dank Teppichböden und viel dunklem Holz auch an. Eine Herrentoilette wurde in eine Stockwerksküche umfunktioniert.

 

Am Gang steht ein ausgestopfter Rehbock mit einer Schleife um den Hals. "Der gehört einem Künstler, der gerade einzieht", erklärt Pircher. Ganz oben werkt ein Maler, es riecht nach Farbe. Viele der Nutzer kommen aus der Kreativwirtschaft. "Und der Fokus liegt auf Produktion", so Pircher. Kundenverkehr sei schwierig, die Eingangstür im Erdgeschoß verschlossen.

 

"Es ist ein Nullsummenspiel", betont Pircher: Die Nutzer kommen für die Betriebskosten auf, für den Besitzer entstehen keine Kosten. Die monatliche Miete liegt bei 6,50 Euro pro Quadratmeter.

 

Angst vor Neuem

 

Förderungen bekommt der Verein Implantat keine. Die "Agentur für Zwischennutzung", die im Koalitionspapier der rot-grünen Stadtregierung ursprünglich vorgesehen war, gibt es bis heute nicht. Auch die beiden Vereine Paradocks und ImplanTat wissen diesbezüglich nichts Neues.

 

Räume zur Zwischennutzung zu finden sei in Wien schwierig, sagt Deerenberg, die auch schon andere Zwischennutzungsprojekte in Wien und Amsterdam durchgeführt hat. Die rechtliche Situation sei oft niemandem klar. Momentan sei sie viel bei Steuer- und Unternehmensberatern, um sich zu informieren.

 

"Das Image von Zwischennutzung ist noch immer vom Besetzer-Image geprägt", sagt Pircher. Hans Jörg Ulreich versucht, die Branche für die Möglichkeiten der Zwischennutzung zu sensibilisieren. "Viele denken: Da verdiene ich nichts, und wer weiß, ob ich die wieder rausbekomme." Es gebe eine Angst vor Veränderung. Er will auch für die Zeit nach dem Zwischennutzungsprojekt in der Tautenhayngasse dem Verein etwas anbieten.

 

Dass die Eigentümer in Österreich noch vorsichtig sind, bestätigt auch Deerenberg. Doch auch hier entwickle sich langsam etwas: "Man darf nicht so viel reden", sagt sie. "Man muss es einfach tun."

 

 

DER STANDARD