Kitzbühel - Auf der einen Straßenseite, am Fuß des Hahnenkamms, liegt die kleine Schneiderei Prader, ein Kitzbüheler Traditionsbetrieb, der im Erdgeschoß Wintersachen verkauft, an denen im ersten Stock genäht wird. Das Haus ist ein typisches Tiroler Haus mit drei Stockwerken und Satteldach. Gegenüber, im Kongresszentrum, geht unter dem Titel "Rethink Real Estate Business" zur gleichen Zeit die re.comm 2013 über die Bühne, das alljährliche Immobilientreffen, bei dem Führungskräfte heimischer Immobilienunternehmen ihr Wissen über gesellschaftliche Entwicklungen vertiefen - ausnahmsweise einmal jenseits von Quadratmeterpreisen und Bauausnutzungen. Gestern, Freitag, ging die dreitägige Veranstaltung zu Ende.
"Der rote Faden ist, dass es keinen roten Faden gibt", meinte Veranstalter Reinhard Einwaller, der sich darüber freute, eine homogene Besuchergruppe mit durchaus unterschiedlichen Themen angezogen zu haben. Wichtig sei ihm nur, dass es bei diesem als Inspirationsquelle gedachten Event im Powerplay Ausblicke auf künftige gesellschaftliche Entwicklungen gibt - zum Beispiel auf jene grüner, nachhaltiger Architektur.
Der Käfer als Immo-Vorbild
Der britische Architekt Michael Pawlyn etwa sprach über Bio-Mimikry und zeigte amorphe Gebäude, die zur Sonne hin ausgerichtet sind und die im Inneren von Tageslicht durchflutet und mit sphärischen Pflanzen ausgestattet sind (siehe Foto). Sein Konzept sieht vor, dass sich die Planung künftig an natürlichen Vorbildern orientiere, auch an lebenden wie etwa Käfern oder Mikroorganismen.
Die Ergebnisse dieser Methode sind bisweilen verblüffend. So ist es beispielsweise - durch das Befolgen von Öko-Kreisläufen und unter Miteinbeziehung technischer Hilfsmittel - gelungen, in der Wüste Gurken zu züchten. "Während der Mensch immer nur einzelne Ingenieursleistungen optimiert, damit aber insgesamt ineffizient bleibt", lautet Pawlyns Fazit, "sind biologische Systeme in der Lage, effiziente Gesamtlösungen zu produzieren."
Es beginnt bereits bei der Produktion von Tragwerken, die einer industriellen Fertigungslogik folgend angeblich bis zu 30 Prozent mehr Material binden als nötig. Biometrisch in andere Formen gegossen, zum Beispiel in Wabenform, sei es hingegen möglich, Material und damit wertvolle Ressourcen zu sparen.
Das digitale Beiwerk
Die meisten Zukunfts- und Trendforscher, die sich bei der diesjährigen re.comm in Kitzbühel das Mikro in die Hand gaben, ließen auch das Thema Big Data nicht aus. An der derzeit medial viel beachteten Dynamik der großen Datenwelt kommt eben auch die Immobilienbranche nicht vorbei. Der Schweizer Spezialist für Konsumtrends, David Bosshart, sprach vom digitalen Beiwerk. Für ihn stellt sich dazu - nicht unphilosophisch - die Frage: "Denke ich noch, oder werde ich bereits gedacht?" Und er nennt als Beispiel dafür Navigationssysteme und digitale Software, die heute in keinem modernen Bürohaus mehr fehlen dürfen.
Kommunikationsexperte Rudolf Klausnitzer bestätigte diesen Eindruck: "In Zukunft wird es Navigationssysteme für alle Lebenslagen geben. Man gibt dann nur noch die persönlichen, individuellen Faktoren ein, und der Weg zum Ziel wird einem genau vorgezeichnet." Die Meta-Immobilienplattform Zoomsquare, die kürzlich mit dem Futurezone Award zum Start-up-Unternehmen des Jahres gekürt wurde, entspreche bereits dieser Vision (siehe Interview).
Noch sind die Visionen dieser etwas "nichtimmobilienhaften" Immobilienveranstaltung - unter den Vortragenden fand sich ein einziger Vertreter aus der Bau- und Immobilienwirtschaft - Zukunftsmusik. Denn, wie der sich selbst als "Trendspotter" bezeichnende Schwede Magnus Lindquist meinte: "Erst wenn Technologie nicht ins Auge sticht und als langweilig empfunden wird, dann erst haben sich die Dinge gewandelt."
(Peter Matzanetz, DER STANDARD, 23.11.2013