"60 Prozent geförderte Wohnungen in Wien müssen reichen", meint man im Wiener Fachverband der Immobilientreuhänder. Obmann Michael Pisecky fordert deshalb ein neues Mietrecht, bei dem die Mieten frei vereinbart werden können. Nur eine freie Miete erlaube Investitionen in die Schaffung von zusätzlichem Wohnraum, ein Wachstum des Wohnungsmarktes und die Erhaltung hoher Wohnqualität, sagte Pisecky am Mittwoch in einem Pressegespräch.

 

Erhaltungspflicht und "weniger Befristungen"

 

Im Gegenzug würde Pisecky "volle Erhaltungspflicht des Vermieters" zusichern, etwa im schon viele Jahre andauernden Streit um die Zuständigkeit für die Gastherme. Und befristete Mietverträge, die im privaten Altbaubereich mittlerweile eher die Regel denn die Ausnahme sind, sollten dadurch nicht mehr notwendig sein, so der Wiener Fachverbandsobmann. Denn obwohl der Befristungsabschlag von 25 Prozent verschwinden soll, würden Vermieter großes Interesse an unbefristeten Vermietungen haben, unter anderem aus Finanzierungsgründen. "Derzeit ist es so, dass man gar keine Finanzierung für eine Sanierung bekommt, wenn man nach Fertigstellung nicht befristet vermietet", berichtete WKÖ-Bauträgersprecher Hans Jörg Ulreich.

 

Bei den Mietern jener 60 Prozent der Wiener Wohnungen, die gefördert errichtet wurden (Gemeinde- und Genossenschaftswohnungen, Anm.),  sollten außerdem alle fünf Jahre Bedarfsprüfungen durchgeführt werden, wünscht sich Pisecky. Diese sollten vor allem beim Einkommen der jeweiligen Haushalte ansetzen und im Fall des Falles eine Anhebung der Miete "bis zum Marktniveau" zum Ergebnis haben. "Entsprechend des Bedarfes können so die Miethöhen angepasst oder die Wohnungen jenen Menschen zur Verfügung gestellt werden, die diesen Wohnraum tatsächlich benötigen" - also etwa Geringverdienern oder, im Fall größerer Wohnungen mit Unterbelegung, größeren Familien. 

 

Sanktionen bei Wuchermieten

 

Fördermittel sollten grundsätzlich "für günstigen Wohnraum verwendet werden und nicht wie jetzt für finanziell besser ausgestattete Bevölkerungsschichten", so Pisecky. "Sobald das Angebot an Wohnungen wieder höher ist, regelt der Markt automatisch den Preis."

 

Bei Mieten, die gemäß des Rechtsgrundsatzes der sogenannten "Laesio enormis" ("Verkürzung über die Hälfte") als "Wuchermieten" angesehen werden können, sähe das Modell der Immobilienwirtschaft weiterhin Sanktionen für Vermieter vor. "Für Mietwohnungen sollte die Lesio enormis jedoch von 50 auf 25 Prozent reduziert werden", so Pisecky. Das heißt: Setzt ein Vermieter eine Miete an, die mehr als 125 Prozent einer ortsüblichen Vergleichsmiete ausmacht, "kann der Mieter die Schlichtungsstelle anrufen und die Miete wird angepasst." Und zwar nicht nur auf die "legalen" 125 Prozent, "sondern nur auf 100 Prozent" – Strafe muss sein. Und: "Mietwucher wäre damit ausgeschlossen", meint Pisecky.

 

Eingriff in bestehende Verträge

 

Generell würden Preisregelungen "aus Kriegs- oder Nachkriegszeiten stammen" und deshalb "nicht mehr zeitgemäß" sein, so der Wiener Immobilienprofi. Eingriffe in bestehende Verträge sind für ihn kein großes Problem, "denn auch der Staat greift permanent in bestehende Verträge ein".

 

Pisecky, sein Stellvertreter Oliver Brichard und Bauträgersprecher Ulreich haben die Vorschläge kürzlich auch dem Leiter der Reformgruppe Mietrecht im Justizministerium, Georg Kathrein, übermittelt. Diese Reformgruppe wurde unter der damaligen Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP) eingesetzt und arbeitet seit einem dreiviertel Jahr an Vorschlägen für ein neues Mietrecht. Noch diesen Sommer will der neue Justizminister Wolfgang Brandstetter erste Ergebnisse präsentieren, hieß es vor wenigen Wochen. Pisecky fürchtet diesfalls aber, dass es "maximal zu einer kleinen Novelle" kommen werde. "Wir sind dafür, dass man sich noch ein wenig mehr Zeit nimmt und dafür im nächsten Jahr eine große Reform präsentiert."

 

Arbeiterkammer: "Themenverfehlung"

 

Dass diese große Reform im Sinne der Immobilienwirtschaft kommen wird, ist aber kaum zu erwarten. Stadt Wien und Arbeiterkammer wiesen Piseckys Vorschläge am Mittwoch erwartungsgemäß brüsk zurück. "Im Regierungsprogramm steht, dass sich die Reformgruppe über ein neues Mietrecht für leistbares Wohnen den Kopf zerbrechen soll. Unter dieser Prämisse ist das eine klare Themenverfehlung", sagte Walter Rosifka, Wohnrechtsexperte der Arbeiterkammer, zu derStandard.at.

 

Angesichts der Tatsache, dass es von Seiten der Vermieter immer wieder zu rechtswidrig überhöhten Mieten komme, sei der Vorschlag, das Richtwertsystem durch ein System der frei vereinbarten Mieten zu ersetzen, "ein legalisierter Gesetzesbruch", so Rosifka erbost. "Im Übrigen stammt das Richtwertsystem aus 1994 – und da hatten wir ganz bestimmt keine Kriegszeit in Österreich."

 

Und auch von Wiens Wohnbaustadtrat Michael Ludwig (SPÖ) kam zu den Plänen ein klares Nein: "Kampfansagen" wie diese seien "wenig förderlich" und würden dazu führen, dass keinerlei Annäherung zwischen den unterschiedlichen Interessen erreicht werde.

 

 

(Martin Putschögl, derStandard.at, 23.4.2014)